REVIEWS CATALOG 10/11-2017

• 1. Michael Jackson - Scream
• 2. Carla Bruni - French Touch
• 3. Joey Negro + Sean P. present The Best of Disco Spectrum
• 4. Dancing Down Orange Street / Gay Feet Every Night
• 5. A-ha - MTV Unplugged - Summer Solstice
• 6. Spandau Ballet - Through The Barricades
• 7. Ton Steine Scherben In Dub
• 8. The Verve - Urban Hymns
• 9. Andina - The Sound of the Peruvian Andes
• 10. Music For Children, Music by Children

Ein Untoter tanzt aus der Reihen-Gruft. Das als `ultimative Sammlung 13 mitreißender Dance Classics und Fan-Lieblinge des King of Pop´ angekündigte Scream wird wohl keinen Fan-Aufschrei der Entzückung auslösen. Zuviele werden mehr Unveröffentlichtes erwartet haben - und da kommt nur das abschließende Blood On The Dance Floor X Dangerous (The White Panda Mash-Up) in die Wertung. Immerhin bietet das Katalogalbum neben Hits wie Thriller, Dirty Diana und (mit Abstrichen) Leave Me Alone (letztere beide bereits 2012 remastered vorgelegt) auch die schmissigen The Jacksons-Titel This Place Hotel (aka Heartbreak Hotel) und Torture. Ersterer war eh eigentlich eine lupenreine Michael-Nummer, bei der die Rest-Brüder lediglich für Percussion gecreditet wurden, bei letzterem kam die Hälfte der Vocals von Bruder Jermaine. Und natürlich MJs Titletrack-Duett mit Schwester Janet. Ebenfalls mit Recht dabei: das erst durch Michaels Refrain-Vocals 1984 zu Hitehren gelangte Somebody's Watching Me von One Hit-Wonder Rockwell. Dem als angedüsterte `Halloween´-Gabe inszenierten Album fehlt allerdings empfindlichst die Jagger-Mercury-Kollaboration State of Shock. Dafür sollen per `Scream Augmented Reality´ (neue) Fans mit Mobilgerät angesprochen werden.  https://michaeljackson.com

Der letzte Schrei? Jedenfalls auch als Glow-in-the-Dark-Vinyl erhältlich: Scream

Künstlerin & Album polarisieren - das war zu erwarten, auch wenn French Touch, das fünfte Studiowerk von Carla Bruni, keine Kollektion englischer Coversongs geworden wäre. Eigentlich sollte es ja vorrangig um die Musik gehen. Lässt man das Drumherum, die öffentliche Upper Class-Person CB, das mit allerlei Maßnahmen alterslos gehaltene Ex-Model an der Seite eines höchst umstrittenen französischen Politikers, ebenso wie ihre Schleiertänze im aktuellen Schwarzweiß-Video außer Acht, präsentieren sich die bereits als Singles veröffentlichten Tracks Enjoy The Silence (Depeche Mode) und Miss You (Stones) tatsächlich als hörenswerte Interpretationen, die dem jeweiligen Original eine neue Facette verleihen. Was ebenfalls für die leichtere Pariser Version von Lou Reeds melancholischem A Perfect Day gilt. Und auch beim abschließenden, unkaputtbaren Moon River macht die Bruni einen guten Job. Anteil daran hat auch die Produktion des 16-fachen Grammy Gewinners David Foster, dessen Idee das Ganze war. Oldies wie Love Letters und Stand By Your Man, der Abba-Track The Winner Takes it all und die jazzigen Versionen von Highway To Hell (von AC/DC) oder Jimmy Jazz (von The Clash) fallen vorhersehbar(er) aus. Doch Madame schert sich einfach nicht um die verschiedenen Erwartungshaltungen und macht ihr Ding - sogar live: Anfang Dezember zwei Live-Konzerte im deutschsprachigen Raum: am 04.12. Wien, am 06.12.2017 Frankfurt.

 LIVE-TIPP

www.carlabruni.com

Time Travel zurück zur Jahrtausendwende. Dass eine Compilation-Reihe nach satten 18 Jahre Pause wieder neu belebt wird, hat man ja auch nicht alle Tage. Zumal nach `aller guten Dinge-Manier´ das Disco Spectrum der Kompilatoren Joey Negro und Sean P eigentlich abgeschlossen war. Doch aus drei mach zwei - die vorliegende 2017´er Ausgabe ist eine auf 2 Cds verteilte Best of mit den besten Stücken der Album-Trilogie von 1999 bis 2002. Der Zeitpunkt passt, Disco ist immer noch nicht totzukriegen. Am x-ten Revival hat Dave Lee aka Joey Negro seinen Anteil, der nicht nur als Z Records-Labelchef, DJ & Remixer, sondern auch als Teil des Live-Disco-Acts The Sunburst Band in Sachen Groove ständig unterwegs ist. Die 21 versammelten Floorfiller des Doppelspektrums auch nur anzuzählen, sprengt den Rahmen, doch von David Morales über Bunny Mack bis Al Hudson sind hier so einige Rare Groove-Spitzen-Athleten am Start. Veredelt wird das rot-weiße Doppel-Disco-Digipak noch vom Hochglanz-Airbrush-Artwork eines gewissen Terry Pastor (u.a. Bowie´s Ziggy Stardust).

 TIPP

Zweimal amtlich aufbereitete & ergänzte Katalogware des neu bei Cherry Red beheimateten Doctor Bird Labels `for all tings Jameecyan´. Dancing Down Orange Street (1969) und Gay Feet Every Night (1966) entstammen beide der Produktion der jamaikanischen Produzentin Sonia Eloise Pottinger. Obwohl speziell auf der drittgrößten Karibikinsel Frauen oft den stärkeren Part geben - im Music-Biz dominiert die dicke Hose. Die toughe, von Gaydisc-Produzent Lindon O. Pottinger geschiedene Dame mischte aber während der 60er in der Domäne ihres Ex ohne Scheu kräftig mit - unter ganz ähnlichem Namen: Gay Feet - ein für jamaikanischen Reggae zumndest auf den ersten Blick irritierender Titel, beide Namensgebungen fanden allerdings statt, bevor das Wörtchen `gay´ seine Umdeutung auch auf Jamaika erfuhr. Beide LPs voller gut abgehangener Ska- bzw. Rocksteady-Nummern werden hier zum ersten Mal auf CD präsentiert, wobei die ursprüngliche, als Vinyl mittlerweile ausgesprochen gesuchte Auswahl jeweils durch weitere 13 Bonustracks ergänzt wird. Sonia Pottingers Tip Top Record Shop war Teil der legendären, heute leider runtergerockten Orange Street in Downtoen Kingston. Gay Feet ist ihr Debüt als Album-Produzentin, hier enthaltene Singles wie Every Night des Duos Joe White & Chuck Josephs (Opener des Albums) erschienen bereits ab 1965, weitere Labels wie Rainbow und High-Note folgten. Anfang 1966 wurde ebenjenes Every Night auch die erste Veröffentlichung eines in Großbritannien neugegründeten Labels. Dessen Name, sie ahnen es: Doctor Bird. Ein Kreis schließt sich. www.fb.com/DoctorBirdRecords 

Mid-Summer Solstice - a-ha MTV-Unplugged? Ein schlüssiges Unterfangen. Kaum eine Band hat dem Video-Sender mehr zu verdanken, als das sich zuletzt zunehmend kabbelnde norwegische Trio Morten Harket, Paul Waaktaar-Savoy & Magne Furuholmen. Zudem reizvoll die Aussicht, (insbesondere das hervorragende 80er-) a-ha-Songmaterial akustisch präsentiert zu bekommen. Da doch in besonderem Rahmen performt wurde: auf der kleinen, abgelegenen Insel Giske bei Ålesund, zur Sommersonnenwende vor zweimal 250 Zuschauern, mit Blick durch große Glasfronten in die umliegende Natur. Die dargebotene Musik, die nun auf Doppel-CD mit DVD veröffentlichten Highlights der zwei gegebenen Konzerte, ist hörenswert. Auch wenn die Arrangements von Mitspieler & Produzent Lars Horntveth nach langer Klausur recht brav ausgefallen sind und auch die vermeintlichen Coups bei den Gast-Vokalisten (u.a. Alison Moyet und Echo & The Bunnymens Ian McCulloch) nicht ganz einlösen, was sie versprachen. Harkets Stimme dagegen hält bis in die Höhen und Stücke wie The Sun Always Shines on TV, Summer Moved On, Living a Boys Adventure Tale, The Living Daylights oder Hunting High and Low sind eben vom Pop-Olymp. Abgeschlossen und lichtausgeschaltet wird nach einer intimen Version des Musikvideo-Meilensteins Take One Me. Hach.

 LIVE-TIPP

https://a-ha.com/de 

Tour 2018 - Unplugged (Januar) und mit Verstärkung (ab Juli)

It was 30 years ago... "This was an album written with the guitar dominating, because I´d become more comfortable with my playing." (Spandau Ballet-Gitarrist & Songwriter Gary Kemp zu Through The Barricades). Da flächig von einer 2CD Deluxe-Version zu lesen ist - die vorliegende Neufassung des fünften Band-Albums, im Original von 1986, enthält im Altar-Digipak auf der einzigen CD neben den neun ursprünglichen Tracks sieben weitere Aufnahmen: Demos, Instrumentals, `alternate versions´ und Remixe, allesamt wie die Originale 2017 in London geremastert. Und des weiteren eine DVD mit vier Videoclips und der Dokumentation TTB-Remastered/Revisited. Der das Album abschließende Titeltrack, inner- und außerhalb der Band oft als `bester Spandau Ballet-Song überhaupt´ hoch gelobt, basiert auf einer wahren, traurigen Geschichte. Ein befreundetes Crew-Mitglied, Thomas `Kidso´ Reilly, wurde 1983 in Nordirland von einem britischen Soldaten getötet.

www.spandauballet.com

"Was die da machen ist tabu-hu!" Oder? Bei den Spezialisten von Echo Beach wird bekanntermaßen alles in dub gesetzt, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Die Pläne, mit der Agit-Rock-Legende Ton Steine Scherben einer der einflussreichsten deutschen Bands das Hall-Treatment zu verpassen, reichen bereits etwa zwanzig Jahre zurück. Für die vergriffene King Size Dub Volume 3 Compilation kam es damals neben Dub-Versionen von p.c.-Acts wie den Einstürzenden Neubauten, den Toten Hosen, den Fantastischen Vier oder Nina Hagen auch zur Berücksichtigung des Rocksteady-Dub-Tracks Mole Hill Rockers auf Scherben-Basis. Damals kam es schon zum ersten Treffen mit dem sagenumwobenen Produzenten David Volksmund. A.k.a. R.P.S. Lanrue, bürgerlich Ralph Peter Steitz, Ex-Scherben-Gitarrist und -Nachlassverwalter. Seitdem wurde es nicht konkreter mit dem Vorhaben, sich mehr TSS-Repertoire in der Echokammer vorzunehmen - da, "wo die Computer schmatzen." Bis jetzt, da Fe Wolter (Di Iries, Dubvisionist) und Alexander Hornbach (Aldubb) mit Lanrue Klasse-Material wie Keine Macht Für Niemand, und Lass Uns Ein Wunder Sein (beide Titel mehrfach) neu regeln. Auch ohne Zugriff auf Mehrspuraufnahmen bei den meisten Tracks glücklicherweise sehr vertretbar geraten, bis hin zum schlichten Retro-Cover.

 TIPP

Dies gleich zu Beginn: Der Text bezieht sich nicht auf das parallel erhältliche, auf rekordverdächtige 5 CDs plus DVD gepimpte Box-Set. Wir bescheiden uns und stellen die `einfache´ Doppel- CD zum 20-jährigen Jubiläum des Britpop-Meilensteins Urban Hymns vor. Auch die enthält neben den neu remasterten 13 Tracks vom 1997er Original ... Moment. Auf der waren doch 14 Titel? Das damalige instrumentale Outro Deep Freeze hat sich hier irgendwie verkrümelt - und findet sich auch nicht auf der zweiten Scheibe mit Liveaufnahmen des `UH´-Repertoires aus den Jahren ´97 & ´98. Trotz des kuriosen Details kann die vorliegende Fassung des dritten (und bis zur Reunion 2008 letzten regulären) Albums inklusive des legendären Breitwand-Openers Bitter Sweet Symphony von Alt-Fans und Neueinsteigern goutiert werden - Frontmann Richard Ashcroft & Co. im Vergleich zu den meisten nachfolgenden Soloprojekten der Bandmitglieder auf dem Höhepunkt ihres Schaffens. Ein ausführliches Band-Interview und Texte zu den Konzerten im Booklet runden das `kleine´ Jubilee-Package ab.

Inoffizielle Band-Website

http://martinmorales.co.uk

Buchlink & Musiklink 

Label-Website