REVIEWS POP / ROCK 04-2016
Emmy The Great - Second Love / Marla - Madawaska Valley
PIAS Coop - Bella Union / Rough Trade * Melting Pot Music / Groove Attack
TIPP
Millennials trying to make it in big cites..."I think Emma's generation is a pretty unhappy one. There's a lot of ambition and not much success. Most people fail.The internet has it made so much harder to earn a living from writing or creating music and it's made everyone more isolated than they anticipated." Drei Jahre hat die britische Thirtysomething-Songwriterin Emma-Lee Moss aka Emmy The Great mit sich um die melodisch-introspektiven Songs auf ihrem neuen Album gerungen. Aus den Liner Notes des befreundeten Jon Ronson kann einiges uber den Kontext, in dem Second Love entstand, entnommen werden: Umzug in die USA, Identitätskrisen, Finanzierungsschwierigkeiten. All das hat Emma aka Emmy aktuell überwunden, wie die Kollaborationen des Albums verdeutlichen: mit den Produzenten Dave McCracken (Beyonce) und Ludwig Goransson (Haim) & den Künstlerkollegen wie Tom Fleming (Wild Beasts), Leo Abrahams (Pulp/ Brian Eno), Simon Oscroft (MXTHER), Du Blonde (aka Beth Jeans Houghton aus Newcastle) oder Fyfe Dangerfield (Guillemots). "Hard won dreams are allways the sweetest."(Shadowlawns), Auch als (lila) Vinyl-LP inklusive Download-Karte. Ähnlich ruhig-melancholische, folknahe Klänge gibt es auf Madawaska Valley, dem Debütalbum der jungen spanisch-deutschen Sängerin Marla aus Heidelberg. Twen Marla verarbeitet hier vor allem vergängliche Liebe zur akustischen Gitarre, öfter im Duett mit sich selbst. Um die Wohnzimmer-Atmosphäre anzureichern setzt der kanadische Produzent David Celia gelegentlich Farbtupfer - mit Hammond Orgel, Cello oder Slide Guitar. Manchmal ist das dennoch noch etwas dünn für ein ganzes Album, zumal kaum lyrische Offenbarungen warten - teils wird auf viel Hall, Wassergeplätscher & Wal-Laute zurückgegriffen. Von Marla's Live-Performance kann man sich derzeit in einigen deutschen Städten ein Bild machen. Play Tracks 2,3. |
Live derzeit nur im UK. www.emmythegreat.com
LIVE-TIPP Live-Termine: |
Allen Stone - Radius
PIAS Coop - Ato / Rough Trade
LIVE-TIPP
Blue Eyed Soul, in a club near you. Der Stevie Wonder nacheifernde 'white boy' Allen Stone aus Seattle erweitert mit seinem zweiten Album Radius denselben - er tourt derzeit durch Europa und bietet den Fans vom Kontinent mit der Deluxe-Fassung seines aktuellen Werks gleich sieben Bonustracks, alle entstanden in Zusammenarbeit mit dem schwedischen Songschreiber & Produzenten Magnus Tingsek. Da wird je nach Song(tempo) auch mal auf Al Green, Curtis Mayfield oder Prince (r.i.p.) geschielt, Stones' Stärke liegt aber eher in Uptempotracks wie dem Opener Perfect World, Symmetrical oder Upside. Andere Songs wirken gelegentlich reißbrettartig & austauschbar - insgesamt ist da noch mehr Masse als Klasse am Start, live dürfte der Funke aber sicher überspringen. Die Doppel-Vinyl-Ausgabe enthält einen Downloadcode für alle 21 Tracks. Play Tracks 1,5,7-9. |
Live in Deutschland: |
Hein Cooper - The Art of Escape
Ferryhouse Productions / Warner
LIVE-TIPP
Das erstaunlich abgeklärt klingende The Art of Escape ist tatsächlich das Debütalbum des 24-jährigen Australiers Hein Cooper. Der in Kanada entdeckte Jung-Barde, seit dem zarten Alter von 14 musik-infiziert, wandelt bereits recht stilsicher zwischen Indie-, Folk- und Pop-Tracks - im besten Fall mit starken Uptempo-Nummern wie Rusty, Overflow oder All My Desires. Hein verdiente sich erste Sporen als Coverband-Musiker in Sydney - offenbar eine gute Schule fur seine eigenen Songs. Die aktuelle Tour, während der Cooper allerdings auf Co-Autor & Produzent Marcus Paquin (u.a. Arcade Fire & The National) verzichten muss, ist nicht seine erste Erfahrung auf dem Kontinent. Der Mann war im letzten Jahr bereits als Support für Sophie Hunger und Kim Churchill - auch im deutschsprachigen Raum - live unterwegs. Play Tracks 2,3,6, |
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Starwalker
Prototyp / Alive
TIPP
Auf Pastiche-Pop-Wolke sieben. Air-Hälfte Jean-Benoit Dunckel widmet sich in der Kollege Godin angehenden Schaffenspause als 'Starwalker' ganz ähnlich klingender Musik, auch wenn sein Partner hier der isländische Komponist Barði Jóhannsson (Bang Gang, Lady & Bird) ist. Mit dem von einem Kinderchor aus BJ's Heimat unterlegten, sich bereits an die Saccharin-Grenze vorwagenden Opener Holiday geht es supereingängig los, auch Losers Can Win , Come And Stay, Get Me oder Radio schweben in die gleiche, einst vom Alan Parsons Project geebnete Richtung - samt Vocoder-Vocals, mehrstimmigem Harmoniegesang und übereinandergeschichteten Synthie-Soundwänden, die bei Le Président oder Bad Weather auch mal zu kollabieren drohen. Die Wohlklangsoffensive ist erklärtermaßen keine One-Off-Angelegenheit. “Wir werden noch viele Jahre zusammen weitermachen.“ Das dürfte die Meinungen spalten. Play Tracks 1,3,4,6,7. |
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Gwen Stefani This is what it feels like / Jain - Zanaka
Interscope / Universal * Columbia / Sony
TIPP
1 Sarkastisch und fröhlich. Mit dem von David LaChapelle inszenierten Video zu Rich Girl aus ihrem Solo-Debüt hat sich Gwen Stefani in die Pop-Annalen eingetragen. Knapp 10 Jahre später veröffentlicht die dreifache Grammy-Gewinnerin ihr drittes Album "This Is What The Truth Feels Like". Mit den Co-Autoren Justin Tranter & Julia Michaels gelingt es der US-Glamour- & Fashion-Ikone unter Einsatz hinlänglich bekannter R&B-, Hip Hop- & Chartspop-Versatzstücke sowie charakteristischer Gesangsmanirismen besser als zuletzt Madonna oder Kylie, auch musikalisch zu bestehen. Eine Ballade wie Used To Love You oder eine smarte Pop-Nummer wie Make Me Like You hat die role model-Konkurrenz schon länger nicht mehr hingezaubert. Play Tracks 1-7,12.
2 So weit vom musikalischen Kosmos einer Gwen Stefani ist die 23-jährige Französin Jain gar nicht entfernt - bunt gestylt & eingängig soll es sein. Eine durch ausgedehntes Reisen schon in jungem Alter gewachsene kosmopolitische Ader trifft auf Pop-, R&B- sowie Hip Hop-Versatzstücke. Zusätzliche Afro- und Balkan-Versatzstücke weisen Jain gleichwohl als Europäerin aus. In Frankreich als Indie-Pop-Geheimtip gehandelt, scheint auch die auf Top 100-Airplay setzende deutsche Schwester-Company der Senkrechtstarterin aus Toulouse einiges zuzutrauen. Play Tracks 1-3. |
LIVETIPP Tourtermine: |
Black Peaches - Get Down You Dirty Rascals /
Kristofer Aström - The Story of a Heart's Decay
Pias Coop - 1965 Records / Rough Trade * Startracks / Indigo
TIPP!
Die Südstaaten lassen grüßen. Get Down You Dirty Rascals ist das Debütalbum der Black Peaches, eines Hipster-Sextetts mit Rob Smoughton aka Grovesnor (lange bei Hot Chip und, ja: Scritti Politti) als Mastermind. Cajun-Klänge & Southern Rock, Country Boogie, auch Spiritual & New Orleans Jazz sowie Louisiana-gefärbter Funk werden hier gegeben - und das recht virtuos. Auch jeweils ein ein Schuss Exotica oder Disco passen noch ins Albumkonzept und zwischendurch darf sich einfach der Drummer mal austoben. Wirklich großartige Tracks wie Double Top, Below The Waves oder Fire & Water Sign stehen hier regelrecht Schlange.Auch als Vinyl. Play Tracks 1-3,5-7. Nils Lofgren, Fleetwood Mac, Tom Petty - da macht jemand aus seinen Einflüssen ebenfalls kein Geheimnis. Auf den intimen Konzerten der gerade absolvierten Frühjahrs-Tour hatte man die Chance, sich von der immensen Spielfreude von Kristofer Aström und Band zu uberzeugen, die wohl auch dafür verantwortlich war, dass das aktuelle Album in nur sieben Tagen in einem Rutsch eingespielt wurde - keines der Instrumente wurde nach 1978 hergestellt. Auf The Story Of A Heart's Decay bekommt der Connoisseur folgerichtig wunderbares Americana-Material serviert. Astrom folgt erneut seinem Hang immer mal wieder das Tempo fur die eine Ballade zu drosseln, am besten sind er und Mitstreiter aber wenn sie entspannt rocken - mit einem Schuss Melancholie, mehrstimmigen Chorussen und feiner Gitarrenarbeit, etwa beim Opener Fine Line, For Tomorrow oder Helliness. Im besten Sinne old school. Play Tracks 1,3,5,7. |
TIPP!
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The Heavy - Hurt & The Merciless / Republik - Elements
Counter Records / Rough Trade * Ladtk / Broken Silence
TIPP & LIVE-TIPP
Es gibt noch interessante Rock-Bands. 1 Die vier britischen Soul-Rocker Quartett The Heavy bemühen sich auf ihrem neuen, vierten Studioalbum Hurt & The Merciless, darum, die Energie ihrer furiosen Live-Auftritte auch per Konserve zu vermitteln. Sänger Kelvin Swaby, Gitarrist Dan Taylor, Bassist Spencer Page und Drummer Chris Ellul aus Bath hatten privat in letzter Zeit einige Turbulenzen zu durchstehen, was sie aber nicht daran hinderte, ein einigermaßen aufgekratztestes Album abzuliefern. Mit Tracks wie dem respektablen Opener Since You Been Gone, den verhalten groovenden Not The One, der Singalong-Nummer Miss California oder dem atemlosen The Apology können The Heavy in der Tat schon in der ersten Albumhälfte entscheidend punkten.
2 Französische Rocker - kann das gutgehen? Die Gästeliste auf Elements spricht schonmal dafür: Nicht jeder bekommt wohl Tina Weymouth & Chris Frantz von den Talking Heads und ´Transvision Vamp´ Wendy James gemeinsam ins Studio (für Winter of Love). Auf dem auf deutsch etwas abstrus klingenden Ich Bin Schmutzig ist No Waver James Chance am Saxofon und auf dem abschließenden, obskuren Track Born This Morning Yann Thiersen an der Violine zu vernehmen. Zwölf angedüsterte Stücke, die - besonders durch Bandgründer Frank Darcels sperrige Vocals - immer wieder an die Comsat Angels erinnern. Das wave-durchtränkte Rockalbum wurde in der Bretagne, Belgien und New York aufgenommen - mit Stéphane Kerihuel (git), Eva Montfort (b), Federico Climovich (dr). |
22.5. Köln, Luxor |
Refugees Welcome
V.A. - Springstoff / Indigo
THEMEN-TIPP
"Deutschland, Arschloch, f...Dich!" Inhaltlich wichtiger, in der Sprache teils drastischer, musikalisch überraschend tragfähiger, nur leider grauenvoll verpackter linker Benefiz-Sampler - natürlich gegen Gewalt von rechts und pro Verständnis für Flüchtlinge. Mag das in Flugblatt-Manier mit Agit-Infos vollgedruckte Booklet noch durchgehen, CD-Inlay & Cover sind eine Zumutung - vielleicht erbarmt sich ein politisch korrekter Grafiker der Nachauflage? Musikalisch geht es dagegen vielseitiger als befürchtet zu, trotz eines erwartbaren Deutschrap-Übergewichts. Inhaltlich passendes wie Beate Zschäpe hört U2 von der Antilopengang wurde auch gut abgehangen akzeptiert, doch die Mehrheit der hier versammelten Tracks sind extra für die von Jonas Engelmann & Torsten Nagel initiierte Compilation Refugees Welcome produziert worden. Mit am Star etwa Dirk von Lowtzow, Frittenbude, Denyo, Gustav, das Berlin Boom Orchestra oder Brockdorff Klang Labor. Die Erlöse kommen ´lokalen, selbstorganisierten, antirassistischen Initiativen´ zugute. Details auf der Webseite der Initiative Gegen jeden Rassismus. Akquirieren und beim nächsten Blögida-Aufmarsch auf die Lautsprecher legen. |
wray - hypatia / The KVB - of desire
Communicating Vessels * PIAS UK - Invada / beide: Rough Trade
Zweimal halbwegs amtliches Indie-Geschrammel. 1 Lead-Sänger & Bassplayer David Brown, Drummer Blake Wimberly & Gitarrist David Swatzell aus Birmingham, Alabama kombinieren auf ihrem zweiten Album Hypatia den seit The Cure immer gern genommenen, nur in Nuancen variierten Gitarrensound mit schwer verhallten Vocals - stets aufs Neue. Nach dem an Nummer drei platzierten Titeltrack passiert dann bis zum abschließenden Mounts Minding nicht mehr allzuviel. Produziert von Lynn Bridges (u.a. Devendra Banhart) und gemischt von Daniel Farris (Man Or Astroman?). Play Tracks 1-3. 2 Mit dem auf Invada, dem Label von Portishead-Mastermind Geoff Barrows veröffentlichten Of Desire hat Nicholas Woods Projekt The KVB aus Southampton nun vier Studioalben eingespielt. Mittlerweile als von Berlin aus agierendes Duo von Gründervater Wood und Partnerin Kat Day - irgendwo zwischen Shoegaze, Postpunk und Darkwave. Da soll es in guter alter Joy Division-Tradition bitteschön bloß nicht zu heiter oder klanglich transparent zugehen, Gesang, Synthies, Gitarren, DIY-Schlagwerk - alles versinkt im verhallten Wall of Sound. Wiederholung ist dabei Programm, folgerichtig ebenfalls grau in grau: Cover- & Digipak-Design. Play Tracks 1,2,6,7,12. |
Lontalius - I'll forget 17 / Matt Corby - telluric
PIAS UK - Partisan / Rough Trade * WMI / Warner
1 Der 18-jährige, neuseeländische Singer/Songwriter Lontalius (bürgerlich Eddie Johnston) wurde zuletzt mit Youtube- & Soundcloud-Coverversionen von Justin Bieber, Pharell Williams und R&B-Tracks wie Pills & Potion (Nicki Minaj), XO (Beyoncé) oder Body Part (Ciara) bekannt - Interessierten wünschen wir an dieser Stelle fröhliches Stöbern. Mit dem Titel seines Debütalbums I'll Forget 17 nimmt der junge Mann aus Wellington nicht von ungefähr Bezug auf Frank Oceans Song White: Lontalius arbeitet nach Fertigstellung des vorliegenden, akustisch und ruhig ausgefallenen Albums bereits mit Frank Oceans Produzenten Om'Mas Keith an Songs für den Nachfolger. |