Reviews 8-9-10 Filmmusic


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 William Orbit - Pieces in a Modern Style 2
 
 Decca / Universal
 
 

William Orbit, immer noch ein klangvoller Produzenten-Name. Doch bereits der Vorgänger von "Pieces 2" musste eigentlich skeptisch stimmen, war der Brite doch Anno 2000 nach Einstieg mit zwei zurückhaltenden Interpretationen von Barbers eh schon elegischem "Adagio for Strings" (of "Platoon" fame) und John Cages "In A Landscape", großteils gescheitert. Und zwar umso deutlicher, je weiter er in der Klassikhistorie zurückschaltete, insbesondere bei Versuchen, Beethoven und Vivaldi beizukommen. Klassik-Platzhirsch Deutsche Grammophon ließ es sich damals nicht nehmen, eine Kompilation mit den Orignalen, u.a. mit Harald Schmidt als Sprachrohr zu vermarkten, der "Pieces...1" als "Kuschelrock für Halbintellektuelle" abwatschte. Von denen gab es offenbar nicht wenige, denn interessanterweise veröffentlicht der Universal-Konzern nun die zweite Folge der Orbitschen Klassik-Annäherungen einfach mal selbst. Deren Ansatz ist dabei 10 Jahre später keineswegs weiterentwickelt, sondern durchgängig von Flachheit, Ideenarmut und Klebrigkeit in den Arrangements gekennzeichnet. Standards wie Griegs "Morgenstimmung" aus "Peer Gynt" werden auf das allerbekannteste Melodiefragment reduziert, unter das gelegentlich ein vom Rest des Geschehens abgekoppelter Synthie-Beat geschraubt wurde. Ob Bach, ob Fauré, ob Puccini oder Vaughan Williams, alles wabert süßlich dahin. Stets fühlt man sich aufs Neue an Vangelis, Warteschleifen-Muzak oder "Klassik für Baby-Chan" erinnert (letzteres eine real existierende japanische 90s´-Casioplatte). Noch schlimmer wird es mit der zugehörigen schmerzfreien Remix-CD, als Fanal sei hier "Carmen" à la Orbit genannt...Crossover des Grauens.
"Ich kann zwar keine Noten lesen, aber ich verstehe die Musik." (W.O.)
 


 
 
 arte - Summer of the 60s
 
 Various Artists - EMI France
 
 

"Tous l´esprit des 60s en 3CD" verspricht das Cover im arte-Design. Neben einem prallen Querschnitt durch Populäres der (eher frühen) Dekade von Buddy Holly & Gene Vincent über Donovan & Manfred Mann bis Canned Heat & Ten Years After. Selbstverständlich mit französischen Einsprengseln à la Gainsbourg, Hardy & Dutronc. Auch der neu aufgenommene Song zum im ARTE-Programm derzeit allgegenwärtigen, aufwendig produzierten "I Get Around"-Trailer, für den sich Keren Ann & Co an ein eigentlich unantastbares Beach Boys-Juwel gewagt haben, ist enthalten und versprüht eine französische Note. Wenn man über die bemühten Anmoderationsschnipsel mit Katja Ebstein und die Synchronsprecherin hinwegsieht und -hört, deren "Summer of the Sixties" beim aktuellen "Nuh Inglisch"-Hörbuch mühelos in die Topp-Feif gelangt wäre, bietet die Sixties-Programmauswahl des deutsch-französischen Ausnahmesenders wieder mal Bestes im deutschen TV incl. Bardot, Fernch YehYeh & lots of swinging sixties music...
 


 
 
 Karl Jenkins - Gloria / Te Deum
 
 EMI Classics  
 

Karl Jenkins, Doktor der Musik und der derzeit weiltweit am meisten aufgeführte zeitgenössische Komponist, blickt auf millionenfache Plattenverkäufe seiner Klassikepen zurück. „Adiemus IV – The Eternal Knot“ beispilesweise diente als Soundtrack der aufwändigen Fernsehdokumentation „The Celts“. Jenkins war u.a. Gründungsmitglied von „Nucleus“ und der legendären „Soft Machine“, die zu den innovativsten Bands der 70er Jahre zählt. Als Doktor der Musik hat Karl Jenkins Professuren und Ehrendoktorwürden an fünf Universitäten oder Konservatorien inne. Dieser illustre Herr, der sonst für königliche Hoheiten, die UNESCO oder absurde Geldbeträge komponiert, beschäftigt sich auch auf seinem neuesten Chor-Opus mit nichts Geringerem als den Weltreligionen. Jenkins monumentalfilmhaft anmutender Umsetzung des uralten lateinischen "Gloria"-Lobgesangs in mehreren Teilen werden jeweils Lesungen aus den großen Epen des Taoismus, Buddhismus, Hinduismus und Islam vorangestelt. Für einen Song des "Gloria" wurde Haley Westenra verpfichtet, das Duett der beiden E-Musikstars auf: www.karljenkins.com/
 

 
 
 Dean & Britta - 13 MOst Beautiful Songs For Andy Warhol´s Screen Tests
 
 Double Feature / Cargo  
 

Diese nachträgliche Filmmusik wurde vom Andy Warhol-Museum in Pittsburgh, PA in Auftrag gegeben. Dean Wareham & Britta Phillips schrieben und spielten Songs und Instrumentals in einer Multimedia-Show, während im Hintergrund Andy Warhols "Screen Tests" projiziert wurden: kurze Stummfilme, die Warhol zwischen 1964 und 1966 in der Factory von Schauspielern, Tänzern, Künstlern und Factory Stammgästen aufgnommen hatte. Jeder Film dauert exakt 4:15 Minuten. Dean & Britta wählten 13 Portraits aus (u.a. Dennis Hopper, Nico & Lou Reed) deren zugehörige Tracks nun mit Remixen von Scott Hardkiss, Sonic Boom (MGMT, Spacemen 3) und My Robot Friend auf dem Doppelalbum landeten. Neben Originalkompositionen von D&B kommen dabei auch Dylan- und Velvet Underground-Coverversionen zum Einsatz. In der Oper in Sydney, im Lincoln Center in New York oder einer mittelalterlichen Kathedrale in Paris live getestet. Auf 3000 Stück limitierte Doppel-CD mit zwölfseitigem Booklet, Linernotes von Dean Wareham und Standbildern aus den Filmen von Warhol. Wenn man die zur Rezension vorliegende komprimierte Fassung mit 13 Tracks (incl. 6 Remixe) als Maßstab nehmen kann, dürfte die komplette Fassung sich den Filmmusik-Tipp des Monats verdient haben.
www.deanandbritta.com
 
TIPP!

 
 
 Rock of Ages
 
 Original Broadway Cast - New Line (Import)  
 

Nicht zu velwechern mit dem großen süddeutschen Rock-Open Air (rock-of-ages.de) oder gar der vierköpfigen Rockand (rockofages.de) gleichen Namens. "Rock of Ages" ist das nach einem Buch von Chris D'Arienzo, entstandene Broadway-Musical mit gut abgehangenem 80´s-Schweinerock von Styx, Journey, Bon Jovi, Pat Benatar, Twisted Sister, Steve Perry, Poison oder Asia. Derzeit läuft eine weitere Ausgabe erfolgreich in Toronto, während ein weiterer Cast sich auf Tour durch diverse US-Städte befindet. Eine sich selbst nicht allzu ernstnehmende Sause, die nur in ihren übersteuertsten Momenten zu nerven beginnt und großteils duchaus Spaß macht - solange man zuzugeben in der Lage ist, dass einige der ausgewählten Stücke ziemlich clever geschriebene Dauerbrenner sind. (beispielsweise Journeys fürs Finale ausgeborgte "Don´t Stop Believin´"). Darauf einen "Rock of Ages"-Ringtone...vielleicht "I Wanna Rock"? Thumbs up. www.rockofagesmusical.com
 


 
 
 Mahler Symphony X - Recomposed by Matthew Herbert
 
 Deutsche Grammophon / Universal
 
 

Eine besondere Hommage zum Mahler Jahr 2010: Matthew Herbert, gerade erst mit dem ersten Teil seiner aktuellen Konzeptalben-Trilogie zu Gast, bearbeitet für die vierte Folge des innovativen Klassik-Projekts "Recomposed" die unvollendete 10. Sinfonie. von Gustav Mahler. Der große Komponist an der Schwelle zur Moderne, schrieb seine letzte Sinfonie in der Zeit einer schweren Lebenskrise. Herbert versucht nun, das psychisch wie künstlerisch dünne Eis, auf dem Mahler sich im Krisen-Sommer 1910 bewegte, hörbar zu machen. Dafür baute der ein Autoradio in einen Sarg ein oder spielte das Adagio an Mahlers Grab in Wien (in der Fassung von Giuseppe Sinopoli) und nahm die Ergebnisse auf. Aktionskunst, deren musikalischer Neugehalt sich vielleicht nicht jedem Mahler- (oder Herbert-) Liebhaber erschließen wird. www.recomposed.de

 


 
 
 Philip Glass - How Now
 
 MDG / CodaEx  
 

Der auf die Musik des 20. und 21. Jahrhunderts spezialisierte Pianist & Komponist Steffen Schleiermacher aus Halle präsentiert mit "How Now" bereits die dritte CD mit Philip Glass-Kompositionen auf dem audiophilen MDG-Label der Dabringhaus und Grimm Audiovision GmbH aus Detmold. Für sein präzises, dabei aber nicht maschinenhaftes Spiel findet auch die Klassikredaktion des Bayrischen Rundfunk wohlwollende Worte. Schleiermacher macht sich in seiner Interpretation von den ursprünglichen Vorgaben des Maestro frei, das 26-minütige Centerpiece "How Now" spielt er nur am Klavier, die beiden anderen Stücke an mehreren elektrischen Orgeln, die nacheinander aufgenommen und gemischt wurden (Sound Design: Bernd E. Gengelbach). www.mdg.de/
 

 
 
 A.R. Rahman - Connections
 
 Wrasse / Harmonia Mundi  
 

Dancefloor Millionaire...Aus dem nur Insidern bekannten Schöpfer atmosphärischer Tracks wie des im Deepa Mehtas Film "Fire" (Produktion der europäischen Soundtrackfassung durch Cinesoundz) "Mumbai Theme" (hier einem Film namens "Bombay" zugeordnet) ist mittlerweile der weltberühmte oscarprämierte Komponist einer unüberschaubaren Menge indischer Bollywood-Produktionen geworden. Dabei produziert und inszeniert A.R. Rahman seine Songs zunehmend dichter am Dancefloor westlicher Prägung. Einige flotte Beispiele dazu enthält auch diese Compilation-CD u.a. natürlich den Track mit dem Oscar für den besten "Original Song", "Jai Ho". Letzteren sogar als "(You Are My Destiny) " in einer spezeillen Version mit: den Pussycat Dolls...Der Mann ist ja gerade erst 44. www.arrahman.com
 


 
 
 Kleine Einsteins - Die Musik zur Serie
 
 Various Artists - Walt Disney / EMI  
 

Diese interaktive Disney-Zeichentrickserie für Kinder spielt in der Welt der Musik und Kunst. Die Freunde Leo, Quincy, Annie und June erleben mit dem Fluggerät Rocket überall auf der Welt ihre Abenteuer. Dabei sind die Zuschauer aufgefordert, die Helden zu unterstützen, indem sie mitsingen, mittanzen oder mitklatschen. Jede Episode behandelt ein ausgewähltes Gemälde und ein Musikstück eines berühmten Komponisten. Auf der zugehörigen TV-Soundtrack-CD finden sich folgerichtig die bekanntesten klassischen Einstiegsthemen, von Mozarts "Kleiner Nachtmusik" über Rimsky-Korsakovs "Hummelflug" bis zu "Elise" und der 5. Symphonie von Beethoven. Eingeleitet wird der Klassikreigen vom (deutschen) Titellied.
www.disney.de/DisneyChannel/playhouse/littleeinsteins/
 

 
 
 Tätärä - Maximum Brass
Blassportgruppe - Steil
Blechschaden - Up-Frack-Prämie
 
 Various Artists - Grosse Freiheit - bureau b / Jazzhaus - In-Akustik - Indigo - Koch / Universal  
 

Gegen Ende dreimal Blech. Den Anfang macht die BAnd mit dem dämlicher-gehts-nicht-Namen Tätärä. "Funky streetmusic, mobil, handgemacht ohne elektronische Hilfsmittel, direkt, laut, spontan, unschlagbar live " soll es sein.
Saxofone, Flöten, Trompeten, Posaunen, Tuben und eine starke Rhythmusfraktion kommen zum Einsatz bei - und jetzt kommt´s- der originellen Idee, Pop- , Rock- und Indiehits durchzupusten. Zugegebenermaßen machen einige der ausgewählten Tracks in den Arrangements dieser norddeutschen Marching Band keine schlechte Figur, sogar das im Original totgespielte "Wonderwall" funktioniert. Live? Check out: www.myspace.com/streetbandtatara

Etwas weiter im Südwesten der Republik sitzt die Blassportgruppe , genauer in Mannheim/Speyer. Diese "steile" Marching Band tritt gern in Retro-Fußball-Trikots auf und versteht sich als "zärtliche Kampfansage an die volkstümliche Blasmusik". Also keine Märsche, etwas Jazz ja, aber kein Dixieland - und keine trendige Balkan-Anbiederei. Stattdessen wird (von Tobias Christl) deutsch gesungen. Auf die witzige...Das muß man mögen, sonst pickt man sich besser Instrumentals a la "Green Hornet" aus dem Oeuvre des Jazzhaus-Zehners heraus. Livedaten D im August, zweimal auch in Österreich imSeptember.
www.blassportgruppe.de

Blechschaden schließlich feierten 2009 bereits ihr 25-jähriges Jubiläum. Die Veteranen bedienen ein breit gefächertes Repertoire mit unkonventionellen Auftritten und ..äh..Plattentiteln. Auch auf "Up-Frack-Prämie" kommt eine Spezialität des Ensembles zum Tragen: Hybride aus scheinbar gegensätzlichen Musikzutaten. Beispiele: "Take (Five) Mission (Impossible)" als Opener, der Pachelbel Kanonlandler (der auch genauso klingt), oder der "Tango Für Elise". Weiter im Original so unterschiedliche Weisen wie "Zwiefacher", MacArthur Park" und "We Will Rock You".
www.blechschaden.de
 




 
 
 Full Moon Classics
 
 Various Artists - Berlin Classics / Edel  
 
 Bekanntermaßen toben Vampire und andere Spukgestalten derzeit erfolgreich über Kinoleinwände und Bücherregale. Berlin Classics nimmt dies zum Anlass für eine gründliche Durchforstung der Archive auf adäquat Dunkeldüsteres für die vermutete breite Zielgruppe. Mit gleich drei Doppel-CD langen die Full Moon Classics hin: "Tänze in der Dämmerung - von Liszt bis Strawinski", "Klänge einer zeitlosen Leidenschaft - von Bach bis Rachmaninoff" (für die romantischeren Untoten) sowie "Nächtliche Gesänge - von Schubert bis Orff". Ob nun Romantik-Liedgut unter den Teenies neue Beute macht, bleibt abzuwarten, von naheliegenden Stücken wie "Agnus Dei", der "Carmina Burana" oder Mussorgskys "Nacht auf dem kahlen Berge" werden sich aber vielleicht tatsächlich neue Interessenten gefangennehmen lassen, Filmmusikinteressierte beispielsweise..
 
 
 
   

 
 Previous Issue: 4/5 - 2010 © cinesoundz 2010

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