civil war
A24 - DCM / Deutscher Kinostart 18.04.2024
 Marketing-Kampagne mit einer Vielzahl Motive - Im Vergleich zum MG-Nest in der Fackel der Freiheitstatue das dynamischere Plakat: Heli-Ansicht & White House unter Beschuss - Schauplatz des Filmfinales.
 ↑ Der Highway Richtung DC - Sackgasse oder Beginn einer Tour de Force für die Journalisten? Schon in der ersten Tankpause: ↓Jessies Feuertaufe.
 ↑ "We take the picture, so others can judge - these guys probably would have killed them anyway." Lees↓ abgebrühter Kommentar.
 "Will you take my picture when I die?" Die Frage klärt (& kehrt) sich noch.
 Unter den Fittichen von Lee & Joel tastet sich Jessie an den Krieg heran.↑
Und es wird heftiger, brutaler - die behelmten Reporter sind unmittelbar im Häuserkampf unterwegs. Die Erstürmung eines bis aufs Blut umkämpften Gebäudes endet mit einer zum Ende hin grenzwertig inszenierten Zeitlupen-MG-Erschiessungsszene von entwaffneten Kriegsgefangenen - zum poppigen Late 80s-Hip Hop von De La Soul. Deren Say No Go sattelt auf den entspannten Yacht-Groove von Hall & Oates’ I Can’t Go for That (No Can Do) auf und ergibt im Mix mit Bildern der Reporterreaktionen (Lee: Zigarettenpause, Joel: mit einem der Sieger scherzend, Jessie: überfordert & entsetzt) eine letztlich zynisch wirkende Montage - der Spaß am willkürlichen Töten dreht einem den Magen um - wohl gewollt.
Mit IMAX-Wumms - die Sezessionisten-Attacke auf Washington rollt an - ohne Rücksicht auf Landmark-Gebäude, Unbewaffnete oder Frauen...
Die bislang aufwändigste Produktion im Portfolio der umtriebigen Indie-Firma A24 (u.a. The Zone of Interest, Stop Making Sense) nutzt ihr ca. 50- Mio. Dollar-Budget effektiv. Seit der Weltpremiere am 15. März beim SXSW-Festival läuft ein kontroverser Hype um den Rotten Tomatoes-Favoriten, der anders als in den USA hierzulande zwar nicht die Box Office Pole Position einehmen konnte, aber, glänzend besetzt und bis zu den umkämpften US-Wahlen im Spätherbst von brennender Aktualität, sein Potential über noch einen längeren Zeitraum entfalten kann.
Trotz vereinzelter, individuell empfundener Schwächen sicher einer wichtigsten Filme des Jahres, dessen wuchtiges Finale kaum jemand im Publikum kaltlassen dürfte. Die Schlussbilder im Weißen Haus gehen mit dem letzten Source-Musiktrack erneut eigentümliche Wechselwirkungen ein: Im Abspann läuft minimalistischer Late-70s Electropunk: Suicide.
* Trailer * DCM-Film-Website * A24-Film-US-Website * Civil War OST Playlist * De La Soul - Say No Go * Suicide - Dream Baby Dream
|
TIPP!
|
 Die ersten Filmbilder: der US-Präsident (Nick Offerman) übt für eine TV-Ansprache an die Nation - doch von Vereinigten Staaten kann aktuell keine Rede sein: es tobt ein neuer Civil War in Amerika - rund 160 Jahre nach dem letzten... Das britische Dystopien-Multitalent Alex Garland (u.a. Drehbuch 28 Days Later, Executive Producer Big Game, Buch & Regie Ex Machina, Annihilation) entwickelte seinen neuen Film unter dem Eindruck des so bizarren wie realen Sturms auf das Kapitol, der 2021 alles einholte, was bis dahin (auch in Hollywood) denkbar schien. Anno ´24 drehbuch-plausibel: der sich immun wähnende Präsidial-Diktator verfügt (s)eine dritte Amtszeit sowie Luftschläge gegen die eigene Bevölkerung.
Als Reaktion marschieren die sogenannten `Western Forces´ (eine seltsam anmutende Union aus Kalifornien, Texas & Florida) unter Panzer- & Hubschraubergetöse auf Washington D.C. - es herrscht Sezessions-Anarchie.
Garland schickt ein ungleiches Quartett Kriegs-Reporter auf einen nur selten satirisch gebrochenen ("300 Canadian $"), brutal-spannenden Roadtrip durch Szenarien wie folternde Tankstellen-Milizionäre ...
 ↑ ...Heckenschützen-Hinterhalte zu Weihnachtsgedudel oder Kalk auf Massengräbern verstreuende Rassisten:  ↑ Ausgerechnet Dunst-Ehegatte Jesse Plemons als schießwütiger `America first´-Henker in Rot-Blond - einer der beklemmendsten Film-Momente.
Garland stellt der talentierten, naiven Rookie-Fotografin Jessie (Cailee Spaeny, nach Priscilla demnächst in Alien: Romulus)↓ drei gebrochene Presse-Helden als Eskorte an die Seite:
die preisgekrönte, aber von Dutzenden Kriegsschauplätzen ausgelaugte Bildreporterin Lee (Kirsten Dunst, u.a. The Virgin Suicides, Melancholia), den abgeklärt-indifferenten Story-Jäger Joel (Wagner Moura, Elite Squad) sowie den gesundheitlich angeschlagenen Berichterstattungs-Veteranen Sammy (Stephen McKinley Henderson, Beau Is Afraid). Das anfängliche Zweckbündnis geht durch intensivste Momente in gemeinsamer Lebensgefahr in einer kurzzeitigen, fragilen Verbundenheit auf. Weiter, immer weiter. Zwei der Vier werden sich im Verlauf des Films für die anderen opfern.
 Das Stormchaser-Presse-Quartett.
Bis zum Ziel, dem erhofften Interview mit dem zum Diktator mutierten Präsidenten - dem mutmaßlich letzten vor seiner Gefangennahme (oder Exekution?) sowie flankierenden, ikonischen Kriegsbildern, pflastern weiter Leichen den Weg der Journalisten - auch wenn diese nicht eingreifen, sondern `nur´ mit Todesverachtung Fotos & Eindrücke sammeln. Der Dramaturgie eines Zombiefilms nicht unähnlich, hetzen die manisch Angetriebenen durch das zerissenene, zerstörte `land of the free´.
Ein einziges Innehalten gibt es - in einer verschlafenen, scheinbar wenig vom mörderischen Geschehen um sie herum tangierten Kleinstadt nutzen die Frauen de unverhoffte kurze Pause zum Kleideranprobieren in einer Boutique - die Verkäuferin hebt kaum die Augen von ihrer Lektüre und antwortet auf Joels Frage, ob sie denn nicht gemerkt hätte, dass draußen ein `pretty big civil war´ vonstatten ginge, nur stoisch: "We try not to get involved - from what we see on the TV it seems to be for the best."
Im Auge des Sturms herrscht trügerische Ruhe. Doch auf den Dächern der Häuser patroullieren auch hier die Sniper - und Amerika zerfällt von innen.
|