REVIEWS CATALOG 04/05-2017
Gilles Peterson presents Havana Cultura Anthology
Various Artists - Brownswood / Rough Trade
Rumba im Remix. Gilles Peterson ist bekanntermaßen seit seiner jugendlichen Begeisterung für `dodgy bossas´, besonders von kubanischer Musik angetan: siehe Gilles Peterson presents Havana Cultura. Die jahrelange Liaison des DJs, Producers & Radiomannes mit der größten Karibikinsel und ihrer Musikszene mündet aktuell in das vorliegende Doppelalbum Gilles Peterson presents Havana Cultura Anthology, für die es ihn zum wiederholten Male nach Kuba verschlagen hat, um bislang unexponierten jungen kubanischen Talenten Unterstützung angedeihen zu lassen, aber auch alte Hasen & Mitstreiter wie Robert Fonseca in die Havana Cultura Band einzubinden: "Ein Buena Vista Club für das 21. Jahrhundert", soll es laut Peterson werden, hier dokumentiert durch 23 Aufnahmen (Neueinspielungen, Vorbestehendes, Remixe), meist in den legendären Egrem-Studio aufgenommen, Heimstatt ebenjenes weltberühmten BV Social Club. Im Booklet sehr ausführliche Linernotes von Andy Thomas (Jocks & Nerds Magazine). www.gillespetersonworldwide.com/artist/havana-cultura |
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Bob Dylan - Triplicate / Ray Davies - americana
beide: Columbia / Sony
Dem Mann wird derzeit alles verziehen. Das unsäglich-kuriose Hin & Her um die Entgegennahme des offensichtlich ungewollten Literatur-Nobelpreises. Und auch, dass die von der hilflosen Jury prämierten "neuen poetischen Ausdrucksformen in der amerikanischen Song-Tradition" vom Meister seit 2012 und nunmehr drei Studioveröffentlichungen komplett links liegen gelassen werden. Bob Dylan singt im Studio, wie auf Shadows in the Night und Fallen Angels, auch auf seinem ersten Dreifach-Album Tripilicate nur noch Evergreens aus dem American Songbook von Arlen bis Hupfeld - und das wieder mal meist recht schlampig. Dreißig neue Aufnahmen, aufgeteilt auf die drei Sektionen `Til the sun goes down, Devil Dolls & Comin´ Home Late enthält das grafisch schlicht gestaltete Box-Set, einmal mehr in Hollywoods legendären Capitol-Studios aufgenommen und von Jack Frost produziert. Dylan macht, was er will und bleibt erfolgreich. Live darf man auf eigenes Material des knarzigen Alten hoffen. Bob Dylan live in Deutschland - 3 Konzerte vom 11.-13.04. in Hamburg, Lingen & Düsseldorf, sowie am 25.04. in Frankfurt & 26.04. in Hannover. |
LIVE
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`America great again´, die zweite. Eigentlich eher: olle Kamellen - auch bei Ray Davies' erstem neuen Album seit fast zehn Jahren scheint die direkte Aufnahme in die Katalog-Sektion gerechtfertigt. Im Londoner Konk Studio (1973 von den Kinks gegründet) aufgenommen mit der mittelalten Americana-Truppe The Jayhawks (um die es auch etwas still geworden war), legt der Kinks-Mastermind das späte musikalische Äquivalent zu seinen 2013 erschienenen gleichnamigen Memoiren vor, um zu betonen, welch wichtige Rolle Amerika in seiner Karriere spielte. Davies' schwebte eine Hommage an die Weite der Landschaft vor, durchsetzt mit Spoken-Word-Passagen aus dem Buch. Gesanglich mutet sich Davies mit 73 leider zuviel zu und schrammt oft arg gepresst an der Grenze zur ungewollten Parodie entlang - auch textlich tönt es für moderne Zeiten meist erschreckend naiv. "I wanna make my home where the buffalo roam..." Legacy-Album-Website www.raydavies.info |
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Ray Davies im Holzfäller-Hemd: The Story of Americana |
The Very Best of Chuck Berry
Laserlight Digital / Delta
Bevor im Juni das unter Mithilfe seiner Familie in St. Louis produzierte Album Chuck erscheint (watch this space), das erste Werk mit neuen Songs seit über vierzig Jahren, verstarb der Künstler 90-jährig, am 18.03. 2017. Nun gilt es, allerorten den Beitrag Chuck Berrys zur Populärmusik zu würdigen. Die vorliegende, zum 90. Geburtstag Compilation gedachte The Very Best of-Compilation tut dies, wenn auch eher minimalistisch. Ohne Liner Notes, in so schlichtem wie wirkungsvollen Coverdesign, doch mit einer aus 20 Tracks bestehenden Liste von Berrys bekanntesten Songs - wohlgemerkt alles Eigenkompositionen. Berry galt während seiner weit über 60 Jahre währenden Musikkarriere als begnadeter Entertainer (siehe `Duckwalk´ & Gitarrenspagat) und einer der stilbildenden Innovatoren des Rock 'n' Roll. Mit seiner jugendlichen Ansage an die E-Kultur "Roll over Beethoven, and tell Tchaikovsky the news!" bahnte sich Charles Edward Anderson Berry Sr. sinnbildlich nicht nur den Weg ans Klavier im Elternhaus, sondern als Schwarzer auch auf die Bühnenbretter & Aufnahmestudios des weißen Amerika. Berry etablierte zudem die Gitarre als Leadinstrument des Rock´n Roll und der bald folgenden Beatwelle. Berrys Entwicklung von Chess-Blues (Wee Wee Hours), über den modifizierten Countrysong Ida Red, der als rumpelndes Maybelline berühmt wurde, zu seinen hier abrollenden Hits wie Sweet Little Sixteen, Johnny B Goode, Memphis Tennessee und dem programmatischen Rock and Roll Music. Um mit den Berry so einiges verdankenden Stones zu enden: "Chuck, du warst großartig und deine Musik ist in uns für immer eingraviert." http://chuckberry.com |
Tribute
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Keb Darge presents the very Best of legendary Deep Funk * keb darge & cut chemist present The Dark Side
beide: Various Artists - Bbe / Indigo
1 Keb Darges persönliche Favoriten der legendären BBE-Serie zum zwanzigjährigen Label-Jubiläum - gute Zusammenfassung aus der Rare, Raw oder Deep Funk- 7-inch-Plattenkiste des Vinyl-Meisters und seinen Legendary Deep Funk Nights im Nachtclub Madame Jojo´s in Soho veranstaltete. Die meist bei obskuren Labels in Kleinstauflagen erschienen und in der Regel nur Insidern bekannten Titel halten das Aufmerksamkeitslevel hoch. Aus den ab 1997 veröffentlichten drei Kompilationen mit Deep-Funk-Highlights wählte Darge höchstselbst The Best Of Legendary Deep Funk aus - im Herbst 2016 erschienen und hiermit nachgereicht. Auch als 180g Vinyl im Regal. .https://www.bbemusic.com/artist/keb-darge |
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2 Keb & Co.... Keb Darge & sein Sammler-Kumpel Cut Chemist machen da weiter, wo sie 2007 mit der Compilation Lost & Found - Rockabilly & Jump Blues aufgehört haben. Mit The Dark Side wird die 1960er Jahre Garage-Szene erkundet, die stark von britischen Bands des Tages wie den Beatles, Kinks oder Rolling Stones beeinflusst war. Darge entdeckte "die Schönheit, die Kraft und die Aufregung der sechziger Garagengeräusche" erst relativ spät für sich. Doch gerade der ungeschliffene DIY-Spirit, mit dem in den Bands auf einfache Drum-Kits eingedroschen wird, Gitarrensaiten und die gelegentliche Orgel malträtiert werden, machen den Charme des Genres für Sammler aus, die hohe Summen für seltene Kleinstauflagen zu zahlen bereit sind. 30 obskure Cuts - Welcome to The Dark Side. For DJ-Dates check out: https://de-de.djkebdarge |
The Adventures - The Sea of Love - Expanded Edition
Cherry Red / Rough Trade
Die UK-Re-issue-Spezialisten von Cherry Red veröffentlichen mit The Sea of Love aus dem Jahr 1988 das zweite Album der nordirischen Band The Adventures - angereichert mit acht Bonustracks. Die Band um Sänger Terry Sharp (stimmlich irgendwo zwischen Simon Le Bon und Tony Hadley) und Songwriter & Gitarrist Pat Gribben veröffentlichte derer insgesamt nur vier. The Sea of Love blieb der größte Erfolg der Band, in den USA schaffte es das Album unter die Top 30, während The Adventures in in Deutschland nicht richtig abhoben. Wer keine persönlichen Erinnerungen mit der hier versammelten Musik verbindet, für den reihen sich oft ähnlich klingende und -aufgebaute Tracks im verhallten Wohlklang aneinander, bis es auch mal ausnahmsweise rockig wird oder mit The Curragh of Kildare einmal der Folk ausbricht. Die Verpackung ist in der Original-Optik gehalten, mit dem Gemälde von Keith Breeden als Cover. www.cherryred.co.uk |
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Hits & Pieces - the Best of Marc Almond and Soft Cell (deluxe)
UMC / Universal
"You lift up my heart..." Grandezza & Gefühl galore - Peter Mark Sinclair Almond trägt sein Herz stets auf der Zunge. Als Nachklapp zur im Oktober veröffentlichten, opulenten 10-CD-Box erscheint für auch mit weniger zufriedene Interessenten nun ein Doppelalbum mit immerhin auch 35 Tracks aus Marc Almonds (mit dem c für Glam-Rocker Marc Bolan) verschiedenen Karrierephasen: Hits And Pieces – The Best Of Marc Almond And Soft Cell. Dessen Single-Tracklist reicht von den Soft Cell-Hits mit Partner Dave Ball über Almonds schon ab 1982 paralleles Projekt Marc and the Mambas, das mit Chanson-, Vaudeville- & Goth-Einflüssen MAs Solokarriere vorzeichnete. Nicht ganz streng chronologisch folgen Almonds diverse Kooperationen mit Gene Pitney, Bronski Beats Jimmy Somerville oder Trevor Horn bis hin zu Solotiteln aus der Zeit vor und nach dem schweren Autounfall des Sängers (2004). Unschätzbar, was der mutige Paradiesvogel für das Coming out und die wachsende Akzeptanz Tausender Schwuler in der Gesellschaft geleistet hat. Musikalische Highlights? U.a. Tainted Love (auch Titel von Almonds Autobiogafie), What!, Say Hello Wave Goodbye, Tears Run Rings, The Days of Pearly Spencer, My Hand over my Heart and many more...gegenüber nur einem Ausfall (Adored & Explored, auf der schwächeren zweiten CD). Als Zuckerli wird noch die neue Single A Kind Of Love beigegeben, realisiert mit Co-Songwriter und Produzent Chris Braide (Beyonce, Lana Del Rey), die an Almonds Vorliebe für Motown-Cover und Sixties Pop anknüpft. Im Booklet ein längeres Essay von Alexis `The Guardian´ Petridis. Marc Almond macht sich erstmal rar - am 15. September in London das einzige Live-Konzert weit & breit (Marc Bolan 40th Anniversary Celebration). www.marcalmond.co.uk
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TIPP |
A Flock of Seagulls - Remixes and Rarities
Cherry Red / Rough Trade
Kritikerlieblinge waren A Flock of Seagulls nie - und wer nun unkt, mit dem Oeuvre der in den 80ern kurzfristig recht erfolgreichen britischen New Wave-Band könne man wohl kaum zwei Cds füllen, dem kann angesichts der vorliegenden Remixes & Rarities entgegengehalten werden: Hit-Singles wie Modern Love is automatic oder Telecommunication sind bei den insgesamt 27 Tracks noch nicht einmal dabei. Die CherryPop-Abteilung hat hier dennoch keinen schlechten Job gemacht. Die größten Hits in Deutschland, I Ran von 1982 und Wishing (If I Had a Photograph of You) mit seinen hymnischen Keyboardlinien von 1983 (hier u.a. in der 9-Minuten Maxi-Version) sind jeweils in gleich vier Versionen am Start, einige Tracks sind erstmalig auf CD erhältlich und das umfangreiche 4c-Booklet enthält Liner Notes, Songtexte sowie eine sechsseitige UK-Diskografie mit allen Coverabbildungen. www.mikescore.com www.cherryred.co.uk |
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Deodato - Night Cruiser & Happy Hour
Cherry Red / Rough Trade
Es gab schon vertretbarer gestaltete 2 in 1-Kopplungen - die vorliegende, auf einer Warner-Übernahme fußende Robinsongs-Doppelscheibe ist grafisch wirklich missraten. Man muss konstatieren, dass beide Cover-Originale schon nicht von ausgesuchter Meisterschaft waren - doch nun wurden sie in der Mittagspause mit schlimmer Typo nebeneinanderzukastelt. Betroffen ist Eumir Deodato de Almeida, der brasilianische Jazzpianist, Arrangeur, Komponist, und Produzent. Deodato mit den hier zusammengefassten auf Knights of Fantasy folgenden Alben Night Cruiser von 1980 und Happy Hour von 1982, die auch musikalisch nicht wirklich überzeugen - in der langen Karriere des brasilianischen Arrangeurs mit dem klingenden Namen gibt es Besseres. Im Innenteil des Booklets immerhin neue Linernotes von Charles Waring (Mojo / Record Collector). http://eumirdeodato.com.br |
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The Gerry Goffin & Carole King Songbook
Soul Jam / In-Akustik
Remasterte und mit diversen Fotos, Coverabbildungen sowie neuen Linernotes von Gary Blailock aufgestockte CD-Ausgabe einer soliden Soul Jam - Kopplung mit dreißig Titeln des Songwriter-Gespanns Gerry Goffin (Lyrics) & Carole King (Melodie & Arrangements). Das Studenten-Ehepaar, dass sich 1968 wieder trennte schrieb gemeinsam Titel wie Will You Love Me Tomorrow (bekannt durch Brenda Lee - hier enthalten - und The Shirelles), Chains (hier von The Cookies, später auch den Beatles), Up on the Roof (The Drifters), The Loco-Motion ( hier: The Vernons Girls) oder Halfway to Paradise (Billy Fury). Die meisten dieser Hits entstanden im Gebäude 1650 Broadway (unweit des legendären Brill Building). Allerdings fehlen auf der vorliegenden CD mit Go Away Little Girl, Oh No Not My Baby und vor allem dem zuerst von Aretha Franklin gesungenen (You Make Me Feel Like) A Natural Woman wichtige Titel aus dem Oeuvre des Paares. www.caroleking.com |
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Jaune Toujours 20sth
Choux de Bruxelles / Broken Silence
Ici Bruxelles... Belgischer Gypsy-Straßen-Rock, der ohne Gitarren auskommt. Das zwanzigjährige Jubiläum begeht das Brüsseler Ensemble um Aktivist, Frontmann & Akkordeonspieler Piet Maris mit einer auf 300 Stück limitierten, acht Cds (von 2000 bis 2016) beinhaltenden Collector Box, und einer abgespeckten, hier vorliegenden Doppel-Cd mit immer noch insgesamt 31 Tracks - 16 davon sind B-Seiten, Outtakes, EP-Tracks und Live-Aufnahmen mit dem Mestizo-Sound a la JT, einem Mix aus Chanson-, Latin- und Balkan-Elementen mit Ska und einem Schuß Punk-Energie. Ein dickes, über 60-seitiges, dreisprachiges Booklet mit vielen Fotos & Plattencover-Abildungen rundet das opulente Jaune Toujours 20sth-Jubilee-Package ab. https://jaunetoujours.com |
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Carl Carlton - Woodstock & Wonderland Live
Staages / Cargo
Ein Sideman im Rampenlicht. Carl Carlton, Gitarrist u.a. bei Peter Maffay, Udo Lindenberg oder Marius Müller-Westernhagen hier mit seinem aktuellen Solo-Programm auf Doppel-CD. Den Künstler schon seit den 60ern begleitende Songs wie Joni Mitchells Woodstock oder The Bands The Weight machen den Anfang, in der Folge kommen Songs von Bob Dylan, Holland/Dozier/Holland, Willie Dixon, Eric Clapton, Bruce Springsteen, Warren Zevon oder Lowell George (Little Feat) passabel gerockt zur Aufführung. Ein paar selbstgeschriebene Tracks streut Carlton am Ende der zweiten CD ebenfalls ein, was bei der o.g. Listen an Rock-Größen auf einiges Selbstvertrauen schließen lässt. Live spielen Carl Carlton & Co. (nach der umfangreichen Tour den März über) wieder ab Ende August. http://carlcarlton.de |
LIVE
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live at rockpalast : George Thorogood & the destroyers / Pat Travers
Mig Music / Indigo
1 Dortmund, 26.11.1980 - George Thorogood in the house. Der von der internationalen Fachpresse ob seiner wilden Bottleneck-Glissandi betitelte `Satan of Slide´, auf der hier festgehaltenen Höhe seiner Fingerfertigkeit mit bekannteren Genre-Größen wie Johnny Winter oder Rory Gallagher auf einer Stufe, rockte mit seinen treuen Destroyers die Westfalenhalle mit Rhythm & Blues & Rock´n Roll. Die Luftgitarrenspieler aus der ersten Reihe rückten im Verlaufe des auch auf beigegebener DVD dokumentierten Konzerts immer näher, bis der Virtuose sich kaum noch mit dem realen Instrument im Kreis drehen konnte. Das authentische Programm basierte auf Vorbildern wie John Lee Hooker, Bo Diddley, Elmore James oder Chuck Berry. Für den Rockpalast-Auftritt unterbrachen die eingespielten Destroyers sogar ihre laufende US-Tour. 2 Köln, 04.11.1976. Der Auftritt von Pat Travers im atmosphärisch eher unterkühlten WDR-Studio vor offenbar wahllos auf der Straße eingesammeltem Publikum - auf Sitzbänken - kann da stimmungsmäßig nicht recht mithalten. Der kanadische Bluesrock-Gitarrist und seine Band (Peter Cowling (b) und Michael Henry McBrain (dr), später bei Iron Maiden) versuchten, sich von den Umständen nicht aus der Ruhe bringen zulassen - schließlich wurde aufgezeichnet und der damals 22-Jährige hatte gerade einen Major-Deal mit Polydor unterzeichnet. Warum dem in den Staaten weiter in der Szene tourenden Travers bis heute ein exzellenter Ruf als LIve-Act anhaftet, davon gibt die von Live At Rockpalast - Cologne 1976 auf CD & DVD festgehaltene Aufname einen guten Eindruck. www.mig-music.de www.rockpalastarchiv.de |
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